Filmförderung zu „Die Ermittlung“
Die Finkelstein Stiftung fördert das zum Ensemblefilm „Die Ermittlung“ gehörige Bildungsmaterial und die Website. Darüber hinaus plant sie die Präsentation des Films an unterschiedlichen Standorten in Deutschland sowie im Unternehmen Bayer.
Die Premiere von „Die Ermittlung“ im Berliner Zoopalast. Mit mehr als 60 namhaften Darsteller*innen, vier Wochen Probe, fünf Drehtagen und einer Laufzeit von 240 Minuten gilt Regisseur RP Kahls Film schon jetzt als eine der ungewöhnlichsten Filmproduktionen der letzten Zeit. © Finkelstein Stiftung
Unter der Regie von RP Kahl haben 60 Schauspieler*innen das Theaterstück „Die Ermittlung“ aus dem Jahr 1964 von Peter Weiss für die Kinoleinwand umgesetzt. Es basiert auf dem Auschwitz-Prozess, der von Dezember 1963 bis August 1965 in Frankfurt stattgefunden hat. Die zentrale Frage: Wie war die Vernichtung von Menschen in Auschwitz organisiert und welche Verantwortung trugen die Angeklagten? Autor Peter Weiss selbst stand im Kontakt mit dem Anwalt Fritz Bauer und nahm teilweise am Prozess teil. Daraus entwickelte er das Oratorium in 11 Gesängen. Es ist ein dokumentarisches Stück, welches in den jeweiligen Gesängen Orte und Personen genauer betrachtet und auf der Bühne Täter und Opfer gegenüberstellt. Eine Gesamtbetrachtung des Auschwitz-Prozesses kann es nicht darstellen, dazu sind eher die Tonaufnahmen und Dokumente geeignet, die das Fritz Bauer Institut bereitstellt.
„Mit der Unterstützung des Films wollen wir die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit im Rahmen unserer Erinnerungs- und Bildungsarbeit vorantreiben.“
Annemarie Hühne-Ramm, Leiterin der Finkelstein Stiftung
„Die Ermittlung“ und die Rolle der Industrie im Auschwitz-Prozess
Das Theaterstück muss im Kontext der Zeit seiner Erstaufführung betrachtet werden. In den 1960er Jahren waren viele der NS-Täter noch oder wieder in führenden Stellungen. Der Auschwitz-Prozess und das kurz danach erschienene Theaterstück passte nicht in das geschaffene Narrativ der Unschuld bzw. der Befehlsausführung.
In diesem Zusammenhang hob Peter Weiss die Rolle der Industrie hervor und erwähnte unter anderem die I.G. Farben und den Bayer-Konzern. Damit erzeugte er auch ein hohes Interesse bei der damaligen Konzernführung der Bayer AG, die hinter dem Theaterstück eine Attacke gegen das eigene wirtschaftliche Handeln, aber auch gegen Demokratie und Kapitalismus sah. Ein Artikel von Stephan H. Lindner in der Zeitschrift für Unternehmensgeschichte editiert dazu ein Dokument aus dem Bayer-Archiv und beschreibt die gesellschaftspolitischen Umstände. Er schreibt dort über die Konzernführung: „Die deutliche Ablehnung der insbesondere gegen die I.G. Farben gerichteten Vorwürfe im Auschwitz-Prozess und dann im Oratorium zeigte, wie empört man war und wie sehr man sich angegriffen fühlte – und letztlich wie verletzlich man war. Auch wenn man den Autoren des Oratoriums zum Kommunisten, zum politischen Feind, erklärte, um ihn damit zu diskreditieren und seine Argumentation nicht aufgreifen zu müssen, so blieben die Vorwürfe doch im Raum.”
Ganz offensichtlich fand in den 60er Jahren keine Reflexion zur moralischen Verantwortung für die Verbrechen der I.G. Farben im Nationalsozialismus statt. Dieser Prozess wurde von Bayer erst mit der Beteiligung an der Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft und später mit einer klaren Positionierung im Zuge der Gründung der Hans und Berthold Finkelstein Stiftung 2023 angestoßen und durchgeführt. Umso wichtiger ist es der Stiftungsleitung und seinem Beirat, den Film heute aktiv zu unterstützen.
"Es ist ein wichtiger Film, mit dem ein Weg gefunden worden ist, das Unvorstellbare deutlich sichtbar zu machen. Entscheidend sind die Stellungnahmen sowie das Auftreten der 18 Angeklagten. Mit Blick auf den massiv ansteigenden Antisemitismus in Deutschland, kann dieser Film nicht aktueller und wichtiger sein."
Bella Zchwiraschwili, Leiterin für Stakeholder Engagement beim World Jewish Congress und Mitglied des Beirats der Finkelstein Stiftung